An der Dynamik teilhaben: die bilateralen Programme des Bundes

Südafrika, Indien, Brasilien und mehr: Bilaterale Programme ermöglichen Schweizer Forschenden gemeinsame Projekte mit Partner:innen in ausgewählten Ländern.

Neue Wissenschaftsnationen haben sich in den letzten Jahren rund um den Globus etabliert. Für Schweizer Forschende eröffnen sich damit attraktive Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit. Um diese zu fördern, engagiert sich der SNF in einer Reihe bilateraler Programme, die vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) finanziert werden. Sie unterstützen gemeinsame Projekte, in denen jeweils jedes Land die Arbeit seiner eigenen Forschenden unterstützt. «Dabei ist es längst nicht mehr so, dass vor allem wir den anderen Wissen vermitteln», sagt Ron Stoop. Der Professor des Universitätsspitals und der Universität Lausanne forscht auf dem Gebiet der translationalen Neurowissenschaften. «Vielmehr profitieren wir in vielen Fachgebieten von der unglaublichen Dynamik in diesen Regionen.»

Eine überraschende Entdeckung in Südafrika

Ron Stoop weiss, wovon er spricht: Seit er als Masterstudent in den 1980er Jahren im Ausland forschte, engagiert er sich für die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit und hat zahlreiche Projekte mit Partner:innen rund um die Welt umgesetzt. Sein letztes, das ihn im Rahmen eines bilateralen Programms nach Südafrika führte, begann mit einer Überraschung. Stoop hatte an einer Konferenz in Berlin über seine Arbeiten zur Amygdala referiert, einem Alarmzentrum im Gehirn, das für Angst und Furcht wichtig ist. «Nach meinem Vortrag kam ein Kollege auf mich zu und fragte: «Wärst du interessiert, eine Gruppe von Menschen zu erforschen, denen die Amygdala fehlt?», so Stoop. Bisher seien weltweit nur einzelne solcher Patientinnen und Patienten bekannt gewesen. Doch per Zufall habe der Kollege entdeckt, dass die seltene, für den Verlust der Amygdala verantwortliche Genmutation in Südafrika viel häufiger ist. Sie wurde innerhalb einer vom Rest der Bevölkerung relativ abgeschnittenen Gruppe über Generationen vererbt.

Es dauerte nicht lange, bis Ron Stoop gemeinsam mit einem südafrikanischen Forscher ein wegweisendes Projekt begann – im Rahmen des bilateralen Programms Schweiz-Südafrika. «In Kapstadt verfügen sie über exzellente Bildgebungstechnik für das menschliche Gehirn», sagt Stoop. «In Kombination mit diversen psychologischen Tests konnten wir die Rolle der Amygdala nicht nur bei Angst, sondern auch bei der sozialen Zusammenarbeit untersuchen.»

Digitale Zwillinge in indischen Museen

Mitten in Forschungsarbeiten, die im Rahmen eines bilateralen Programms stattfinden, steckt auch Sarah Kenderdine. Die EPFL-Professorin für Experimentelle Museologie untersucht mit indischen Forschenden, wie detailgetreue virtuelle Kopien von Kulturschätzen dazu beitragen können, diese unter Nutzung der Blockchain auf sichere Weise zu bewahren und zugänglich zu machen. Als Spezialistin für sogenannte Digitale Zwillinge scannt sie seit Dezember 2023 rund 90 der wichtigsten buddhistischen Skulpturen in Indien. Ihre Projektpartner:innen werden diese dann in verschiedenen indischen Museen als hochauflösende Projektionen in Originalgrösse ausstellen und die Reaktionen des Publikums untersuchen. «Das eröffnet neue Wege, solche Schätze zugänglich zu machen, auch mit interaktiven Elementen», sagt Sarah Kenderdine. «Vor dem Hintergrund der Debatten über die Rückgabe von Kulturgut aus kolonialer Herkunft gewinnen diese Techniken aktuell an Bedeutung.»

Das Wichtigste: ein guter Draht zueinander

Wie Ron Stoop verfügte auch Sarah Kenderdine bereits vor ihrem aktuellen Projekt über umfangreiche internationale Erfahrung: Unter anderem hat sie eine Forschungsgruppe in Hongkong geleitet und ein Museum in Indien aufgebaut. Benötigt man also einen solchen Hintergrund, um erfolgreich ein Projekt in einem bilateralen Programm umzusetzen? «Er kann helfen», sagt Ron Stoop, «doch ist er sicher keine Voraussetzung. Es gibt heute viele Möglichkeiten, jederzeit interessante Forschende aus diesen Ländern kennenzulernen, zum Beispiel an Konferenzen. Und bevor man sich auf ein grösseres gemeinsames Projekt stürzt, kann man ja etwa einen Workshop zusammen organisieren. Da klärt sich rasch, ob die Zusammenarbeit gelingen kann.» Dem stimmt Sarah Kenderdine zu: «Letztlich geht es immer um die jeweiligen Personen und darum, ob sie einen guten Draht zueinander haben», sagt sie. «Auf jeden Fall besteht ganz sicher kein Mangel an exzellenten, hoch motivierten Forschenden in all diesen Ländern, die begeistert in internationale Projekte einsteigen. Es war noch nie so einfach, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen. Ist man selbst interessiert, dann empfehle ich eine solche Zusammenarbeit bedingungslos!»

Die bilateralen Programme: vom Bund finanziert, vom SNF umgesetzt

Mit den bilateralen Programmen verfolgt der Bund das Ziel, die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Ländern zu fördern, die über hohes oder vielversprechendes Forschungspotenzial verfügen. Im Rahmen dieser Programme finanzieren der SNF und seine Schwesterorganisationen in länderübergreifenden Projekten jeweils die eigenen Forschenden. Im Jahr 2024 stehen Ausschreibungen mit Vietnam und Indien an. Details zu diesen Ausschreibungen und zum Antragsprozess generell finden sich auf der Webseite der Bilateralen Programme.