Der Marcel-Benoist-Preis 2023 geht an Ted Turlings

Der Marcel Benoist Preis 2023 geht an Ted Turlings
© Daniel Rihs

Seine Forschungsarbeiten haben komplexe biologische Phänomene in der Pflanzen-Tier-Kommunikation aufgeklärt und die Umweltwissenschaften weltweit geprägt.

Der Schweizer Wissenschaftspreis Marcel Benoist 2023 geht an den Biologen Ted Turlings der Universität Neuenburg. Seine Forschungsarbeiten haben komplexe biologische Phänomene in der Pflanzen-Tier-Kommunikation aufgeklärt und die Umweltwissenschaften weltweit geprägt. Sie eröffneten neue Wege in der nachhaltigen Landwirtschaft, im Rahmen der biologischen, pestizidfreien Schädlingsbekämpfung. Mit seinen innovativen Ansätzen trug Turlings wesentlich zum Verständnis der Rolle bei, welche chemische Signale in der Kommunikation zwischen verschiedenen Arten spielen, der sogenannten chemischen Ökologie.

Wenn Pflanzen über Gerüche kommunizieren

Ted Turlings’ Forschung entwickelte sich aus einer grundlegenden Entdeckung, die er 1990 machte: Pflanzen können sich gegen Schädlinge verteidigen, indem sie flüchtige Verbindungen – Geruchsstoffe – produzieren und so deren Fressfeinde anlocken. Dabei ist es ein Stoff aus dem Speichel der Schädlinge selbst, der die Produktion der Duftmoleküle bei den Pflanzen auslöst.

Die Arbeit von Turlings’ Team reicht von der Grundlagenforschung bis hin zur angewandten Forschung. Sie hat neue Wege für eine Reduktion des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft eröffnet. Der Ansatz, auf die natürlichen Feinde von Schädlingen zurückzugreifen, wird als «biologische Schädlingsbekämpfung» bezeichnet. Diese ist ein entscheidendes Element nachhaltiger Landwirtschaft, da Schädlinge weltweit bis zu vierzig Prozent der Ernten vernichten.

So könnten beispielsweise die von Pflanzen produzierten Abwehrgeruchsstoffe gemessen werden, um Schädlingsbefall bereits zu erkennen, bevor Schäden an der Kultur auftreten. Damit liessen sich Pflanzenschutzmittel viel gezielter einsetzen. Ted Turlings erforscht auch Pflanzensorten, die besonders viele Duftverbindungen produzieren, welche Nützlinge anlocken oder Schädlinge abwehren. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Synthetisierung von Pflanzenduftmolekülen, welche Fressfeinde von Schädlingen anlocken, bevor diese die Kulturen überhaupt befallen können. In Zusammenarbeit mit landwirtschaftlichen Forschungsinstituten und Nichtregierungsorganisationen wie dem Centre for Agricultural Bioscience International (CABI) erforscht das Team um Ted Turlings eine Reihe solcher Möglichkeiten.

«Dieser Preis ist für mich eine grosse Ehre», so Ted Turlings. «Er ist eine Anerkennung für die langjährige Arbeit, die ich mit meinen äusserst kompetenten Mitarbeitenden leisten durfte, und für die Art unserer Forschung. Die Nahrungsmittelproduktion trägt heute erheblich zum Klimawandel und zu Umweltproblemen bei. Doch wir haben die Mittel, es besser zu machen, und die Wissenschaft spielt dabei eine wichtige Rolle».

Wie Pflanzen Insekten anlocken, um sich zu verteidigen

Dank der Arbeit von Ted Turlings konnte im Detail aufgeklärt werden, welche Mechanismen ablaufen, wenn eine Raupe ein Maisblatt frisst. Eine Verbindung im Speichel des Insekts, Volicitin genannt, ruft bei Rezeptoren auf dem Blatt eine Reaktion hervor. In der Folge beginnt die Pflanze, flüchtige Moleküle – aromatische Verbindungen und Terpenoide – zu produzieren. Diese locken Schlupfwespen an, die ihre Eier in den Raupen ablegen. Die Wespenlarven fressen den Schädling schliesslich von innen. Auf diese Weise schützt sich die Pflanze selbst, indem sie einen Feind ihres Feindes zu Hilfe ruft.

«Ich bin hocherfreut, dass Ted Turlings ausgezeichnet wurde, er ist ein herausragender Wissenschaftler», sagt Didier Queloz, Präsident der Marcel Benoist Stiftung. «Seine Forschung hat spektakuläre Ergebnisse erbracht, die das Potenzial für tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesellschaft und insbesondere auf die nachhaltige Landwirtschaft haben». Der Schweizer Wissenschaftspreis Marcel Benoist wird Ted Turlings am 30. Oktober 2023 in Bern übergeben, in einer gemeinsamen Zeremonie mit dem Schweizer Wissenschaftspreis Latsis.

Der Preisträger 2023: Ted Turlings

Ted Turlings stammt aus den Niederlanden und begann seine wissenschaftliche Laufbahn in den USA, unter anderem an der Universität von Florida und im US-Landwirtschaftsministerium. Seit 1993 arbeitet er in der Schweiz, zunächst an der ETH Zürich und ab 1996 an der Universität Neuenburg. Er leitete vier Jahre lang den Nationalen Forschungsschwerpunkt «Plant Survival - Überlebenserfolg von Pflanzen in naturnahen und landwirtschaftlichen Ökosystemen», der von 2001 bis 2013 mit einem Budget von 74 Millionen Franken lief, und führt seit 2014 das Kompetenzzentrum für chemische Ökologie an der Universität Neuenburg. Er wurde 2008 mit dem Delwart-Preis der Royal Academies for Science and the Arts of Belgium, 2015 mit dem Silverstein-Simeone-Award der International Society of Chemical Ecology und 2022 mit dem Distinguished Scientist Award der Entomological Society of America ausgezeichnet. 2023 wurde er zum Präsidenten der International Society of Chemical Ecology ernannt.

Der Schweizer Wissenschaftspreis Marcel Benoist

Als höchste wissenschaftliche Auszeichnung der Schweiz ist der Marcel Benoist Preis mit 250’000 Franken dotiert. Er wird oft als der Schweizer Nobelpreis bezeichnet, und elf der Personen, die ihn erhielten, wurden später mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Der Schweizer Wissenschaftspreis Marcel Benoist wird jedes an eine herausragende Wissenschaftlerin oder einen herausragenden Wissenschaftler verliehen, der oder die «die nützlichste Erfindung, Entdeckung oder Studie gemacht hat, und zwar vor allem eine solche, die für das menschliche Leben von Bedeutung ist». Der Preis wird seit 1920 von der Marcel Benoist Stiftung verliehen, die damit Forschende ehrt, die für die Exzellenz der Schweizer Forschung stehen.

Seit 2018 führt der Schweizerische Nationalfonds im Auftrag der Marcel Benoist Stiftung das Nominations- und Evaluationsverfahren durch. Die Auszeichnung umfasst abwechselnd drei Wissenschaftsbereiche: Biologie und Medizin (2023), Geistes- und Sozialwissenschaften (2024) sowie Naturwissenschaften (2025).

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