Hirnscans von Menschen mit MS helfen, die Folgen von Covid zu verstehen

Gehirnnebel
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Wer an Multipler Sklerose erkrankt ist, muss das Gehirn regelmässig einem MRT-Scan unterziehen. Die dabei entstandenen Bilder sollen nun die Auswirkungen einer Coronainfektion wie etwa Long Covid sichtbar machen.

Watte im Kopf, Gedächtnisprobleme, Verlust des Geruchsinns – die Auswirkungen einer Covid-19-Erkrankung auf das Gehirn sind vielfältig, die Mechanismen dahinter weitgehend rätselhaft. Denn: Krankheitsbedingte Änderungen in unserem Denkorgan sind kaum nachzuweisen, wenn von den betroffenen Personen keine Vergleichsdaten aus der Zeit vor der SARS-CoV-2-Infektion vorliegen.

Doch es gibt eine Personengruppe, bei denen der Zustand davor aussergewöhnlich gut dokumentiert ist: Das Gehirn von Menschen mit Multipler Sklerose (MS) wird in der Regel mindestens einmal im Jahr durch einen MRT-Scan gecheckt, um den Krankheitsverlauf und die Nebenwirkung von Medikamenten zu überwachen. Diese Fülle an Bildern biete eine einzigartige Chance um zu verstehen, welchen Effekt eine Covid-19-Erkrankung auf die Hirnstruktur haben könne – sagen vom SNF unterstützte Forschende der Universität Bern und des Inselspitals Bern.

«Die zahlreichen Scans ermöglichen es, das Gehirn ein- und derselben Person vor und nach einer Covid-19-Erkrankung zu vergleichen», sagt der Bioinformatiker Michael Rebsamen, Doktorand am Universitätsinstitut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie in Bern. Solche Längsschnittstudien auf individuellem Level seien potenziell viel aussagekräftiger als bisherige Studien, die MRT-Bilder gesunder Menschengruppen mit denen von an Covid-19 erkrankten Menschen verglichen.

Schrumpfung in der Hirnrinde

Um zu evaluieren, ob eine solche Analyse machbar ist, führten die Forschenden eine kleine Studie* durch: Sie werteten bisher insgesamt 113 MRT-Bilder von vierzehn MS-Patientinnen und Patienten des Berner Inselspitals aus, die eine SARS-CoV-2-Infektion hinter sich hatten. Sie wählten dabei Personen, deren MS-Erkrankung im untersuchten Zeitraum stabil geblieben war – so liess sich ausschliessen, dass ein für die Multiple Sklerose charakteristischer Schub die Ursache für etwaige Veränderungen im Hirn war. Für die Analyse bestimmten die Forschenden das Volumen verschiedener Hirnareale über mehrere Jahre bis kurz vor und dann einige Monate nach der Covid-19-Erkrankung.

Die Auswertung zeigte, dass das Volumen der grauen Hirnmasse insgesamt konstant blieb. Aber ein bestimmtes Areal der Hirnrinde, der sogenannte Gyrus parahippocampalis war nach der Covid-19-Erkrankung statistisch kleiner. Diese regionale Änderung fiel aufgrund der geringen Grösse bei der Bestimmung des Gesamtvolumens nicht ins Gewicht. Das Resultat deckt sich mit dem Ergebnis einer der oben erwähnten Studien aus Grossbritannien.

Die Hirnregion des Gyrus parahippocampalis wird unter anderem mit dem Geruchsinn und dem Erinnerungsvermögen in Verbindung gebracht, was hypothetisch einen Link zu den häufig auftretenden Riech- und Gedächtnisstörungen bei einer Covid-19-Erkrankung aufzeigt. Über welchen Mechanismus das SARS-CoV-2-Virus allenfalls zu diesen Veränderungen führt, ist Gegenstand aktueller Forschung.

Riesige Mengen an Bilddaten weltweit

Anhand der Vorstudie mit der kleinen Anzahl Personen lassen sich natürlich noch keine definitiven Aussagen treffen. «Weltweit gibt es aber riesige Mengen an Bildern von Patientinnen und Patienten mit MS,» sagt Rebsamen. Würde dieses Material ausgewertet werden, so könnte man die Zusammenhänge noch viel differenzierter anschauen: Beispielsweise, ob es einen Unterschied macht, wie schwer der Verlauf der Covid-19-Erkrankung war. Oder auch, ob es bei geimpften und ungeimpften Personen zu den gleichen Veränderungen der Hirnstruktur kommt.

«Die grosse Frage ist auch, ob die gemessenen Veränderungen reversibel sind oder bleiben», so Rebsamen. «Unser Fokus waren die ersten paar Monate nach der Infektion.» Eine längere Beobachtung in einer grösseren Studie könnte aufzeigen, was bei einer Erkrankung an Long Covid im Gehirn passiert – schliesslich geht sie oft mit einer Beeinträchtigung von kognitiven Funktionen einher.

Mit der Vorstudie hat das Berner Team zunächst einmal belegt, dass der von ihnen erdachte Ansatz im Prinzip funktioniert. «Wir rufen jetzt MS-Forschungsgruppen auf der ganzen Welt dazu auf, die Scans ihrer Patientinnen und Patienten mit dieser Methode zu analysieren.» Das hierfür entwickelte Softwarepaket stellen die Forschenden frei zur Verfügung.