"Ich gebe einfach mein Bestes und kämpfe für das, was ich will."
Die Biologin Sara Montagner weiss ihre zwei Leidenschaften zu kombinieren: Forschung und Familie. In Anerkennung ihrer Arbeit über den Einfluss der Epigenetik auf die Mastzellen nimmt sie am 29. November 2018 den Marie Heim-Vögtlin Preis entgegen.
Die Preisverleihung findet am Institut für Biomedizinische Forschung in Bellinzona statt, wo Sara Montagner während ihres Doktorats und einer kurzen, vom SNF finanzierten Postdoc-Phase forschte. Seit Mai 2018 arbeitet sie als Postdoc bei Novartis in Basel.
Die meisten Leute wissen nicht, was Mastzellen und Epigenetik sind …
Mastzellen sind spezielle Immunzellen. Sie verursachen zum Beispiel die Symptome bei Allergien und Asthma. Epigenetik bezeichnet Veränderungen der DNA, ohne dass sich dabei die Reihenfolge der DNA-Bausteine ändert. Diese Veränderungen beeinflussen die sogenannte genetische Ausprägung, also die Art und Weise, wie genetische Information durch den Körper umgesetzt wird.
Wodurch werden epigenetische Veränderungen ausgelöst?
Durch die Umwelt. Eineiige Zwillinge sind nicht identisch, weil sie unterschiedlichen Umweltreizen ausgesetzt sind. Das ist teilweise epigenetisch erklärbar.
Was haben Sie entdeckt?
Ich und meine Mitarbeitenden wollten verstehen, wie bestimmte epigenetische Veränderungen die Funktion der Mastzellen von Mäusen beeinflussen. Wir konnten zeigen, dass sich Mastzellen schneller vermehren oder aktiver sind, wenn wir die Ausprägung der Enzyme (TET2 und DNMT3A) verändern, die für die epigenetischen Veränderungen verantwortlich sind.
Wo liegt das Potenzial solcher Entdeckungen für die Medizin?
Im Prinzip an und für sich: Krankheit wird nicht immer durch Gendefekte ausgelöst, sondern auch durch epigenetische Veränderungen.
Erklärt das, wieso manche Menschen erst im Erwachsenenalter allergische Symptome entwickeln?
Ja, epigenetische Veränderungen können zur Steuerung allergischer Reaktionen im Erwachsenenalter beitragen.
Eröffnen sich durch die Epigenetik neue Behandlungsmöglichkeiten bei Allergien?
Es ist nicht so einfach, unsere Resultate umzusetzen. Bevor man bei einer Untergruppe von Genen epigenetische Veränderungen bewirkt, muss man genau verstehen, wie dies die Ausprägung anderer Gene verändert.
Haben Sie einen “Heureka”-Moment erlebt?
Nein, es war ganz klassisch: Wir formulierten eine Hypothese, testeten sie und wenn sie bestätigt war, folgte der nächste Schritt. Wenn nicht, mussten wir die Richtung ändern.
Mussten Sie auch Misserfolge einstecken?
Ich würde nicht von Misserfolgen reden. Der Weg zu aussagekräftigen Resultaten ist nicht immer linear.
Ist das ein Problem?
Es entspricht der Arbeitsrealität aller Forschenden, weil man nur so neue Dinge entdeckt. Dies macht unsere Arbeit so faszinierend.
Hatten Sie je Lust, die Forschung zu verlassen?
Nein, ich mag meinen Beruf sehr. Obwohl es nicht einfach ist, die Balance zwischen Arbeit und Privatleben zu finden.
Hätten Sie es ohne Unterstützung geschafft?
Ganz bestimmt nicht. Dass ich meine Leidenschaft ausleben kann und die richtige Balance gefunden habe, verdanke ich meinen Mitarbeitenden, meinen Mentoren und meiner Familie.
Sie arbeiten jetzt in Basel. Ihre Leidenschaft bedeutete für ihre Familie einen Umzug. War das egoistisch?
Vielleicht, aber wenn ich als Forscherin arbeiten will, so war es richtig. Und es hat für alle etwas Gutes: Meine Tochter lernt Deutsch und mein Partner hat einen tollen neuen Job.
Der Wettbewerb in der Wissenschaft ist hart. Wie halten Sie mit?
Ich mache eines ums andere. Ich gebe einfach mein Bestes und kämpfe für das, was ich will.
Wie kämpfen Sie?
Zurzeit, indem ich mein Wissen vergrössere. Am Institut für Biomedizinische Forschung in Bellinzona habe ich mich auf das Immunsystem und die Epigenetik konzentriert. Bei Novartis setze ich mein molekularbiologisches Wissen ein, um das adaptive Immunsystem zu erforschen, also die erworbenen Abwehrreaktionen des Körpers.
Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Nach Abschluss meiner Arbeit bei Novartis möchte ich meine Spezialgebiete kombinieren und epigenetische Vorgänge im adaptiven Immunsystem erforschen. Ich könnte mir auch vorstellen, eine Forschungsgruppe zu leiten. Es braucht etwas Mut, das so zu sagen, aber ich hoffe, dass ich Schritt für Schritt in die Rolle hineinwachse.