Open Data und die NSA-Affäre
Von Martin Vetterli
Die Open-Data-Bewegung hat schon fast die ganze Gesellschaft erreicht. So können heute zum Beispiel digitale Inhalte frei genutzt (Open Content), Computerprogramme eingesehen und geändert (Open Source), Behördendaten konsultiert (Open Government) und kann Bildung gratis erworben werden (Open Education).
Betroffen ist auch die Forschung. Prominent ist im Moment vor allem die Forderung nach freiem Zugang zu wissenschaftlicher Literatur. Hinter dieser Open-Access-Bewegung steht das noble Ziel, dem Leser kostenpflichtige Publikationen frei zugänglich zu machen, da diese öffentlich finanziert wurden. Vergangenen August hat die Europäische Kommission stolz bekannt gegeben, dass schon bald die Mehrheit der Publikationen frei zugänglich sein werde. Doch das neue System hat auch Nebenerscheinungen: Die Kosten beim Einreichen einer Publikation sind für Forschende stark gestiegen. Der SNF unterstützt deshalb finanziell die Publikation in Open-Access-Zeitschriften. Der eingeschlagene Weg ist aber richtig, denn er hilft der freien Ausbreitung des Wissens und der Erkenntnis.
Für die Wissenschaft stellt die Open-Access-Bewegung nur den Anfang dar. Die nächste grosse Forderung wird der freie Zugang zu den Daten der publizierten Arbeiten sein. Dies wird komplexe Fragen nach der Speicherung und der Mitbenutzung mit sich ziehen. Auch diese Entwicklung wird für die Wissenschaft positiv sein, denn sie wird eine neue Kultur der Reproduzierbarkeit wissenschaftlicher Experimente erlauben. Diese ist in den letzten Jahren nämlich unter Beschuss geraten. Sie stellt das höchste Gut der Wissenschaft dar, und auf ihr basiert die Erfolgsgeschichte der Forschung. Eventuell kann die Open-Data-Bewegung da weiterhelfen.
Natürlich hat die Wende zu immer mehr digitalisierten und öffentlich zugänglichen Daten ihre Kehrseite. So wird vor allem bei heiklen Gesundheitsdaten oder dem Onlineverhalten die Privatsphäre oft nicht genug respektiert. Die Überwachungsaffäre rund um die NSA hat gezeigt, wie schnell unsere Privatsphäre verschwinden kann. Die Forschung sollte also weder naiv sein noch sich den technischen Möglichkeiten verschliessen. Sie sollte mit der Zeit gehen, um weiterhin neue Entdeckungen machen zu können. Und dafür ist ein gewisses Mass an "Offenheit" unumgänglich.
Martin Vetterli ist Präsident des Nationalen Forschungsrats und Professor am Labor für audiovisuelle Kommunikation der ETH Lausanne.
(Aus "Horizonte" Nr. 100, März 2014)