Zusammen mit Forschenden der Ukraine: 20 Projekte wurden bewilligt
Von Teilchenphysik bis Geistesgeschichte – Der SNF und der ukrainische Forschungsförderer NRFU unterstützen im Rahmen ihrer gemeinsamen Ausschreibung Forschungsprojekte im Umfang von rund 7,6 Millionen Franken.
Um das durch den Angriffskrieg Russlands angeschlagene Wissenschaftssystem in der Ukraine zu unterstützen, hat der SNF bereits im Frühsommer 2022 ein Abkommen mit dem nationalen Forschungsförderer der Ukraine NRFU unterschrieben. In diesem Rahmen lancierten die beiden Forschungsförderer ab Mitte Oktober 2023 eine gemeinsame Ausschreibung. «Ihr Wert ist kaum in Geld zu bemessen», sagte damals Olga Polotska, Direktorin der NRFU.
Von den 74 Gesuchen, die im Rahmen der gemeinsamen Ausschreibung von SNF und NRFU begutachtet wurden, werden 20 Projekte unterstützt. Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) hat aufgrund der hohen Qualität der Anträge den ursprünglichen Betrag aufgestockt und jetzt stehen dafür insgesamt 7,6 Millionen Franken zur Verfügung. Dies bei einer durchschnittlichen Laufzeit der Projekte von zwei bis drei Jahren. 2,9 Millionen gehen an Forschende in der Ukraine. Polotska freut sich über die gelungene Zusammenarbeit: «Die Projekte kommen aus den unterschiedlichsten Disziplinen, von Teilchenphysik bis Geistesgeschichte. Sie sind ein Beleg dafür, wie vielfältig die Forschung in der Schweiz und auch nach wie vor in der Ukraine ist, trotz aller Schwierigkeiten, welche die militärische Aggression in unserem Land mit sich bringt.»
Die Erfolgsquote der Gesuche lag bei rund 27 Prozent, die Forschenden waren in der Themenauswahl völlig frei. «Wir freuen uns über das grosse Interesse aus beiden Ländern,» zieht auch Matthias Egger, Präsident des Forschungsrats des SNF, eine positive Bilanz. «Dass wir damit 80 Forschende in der Ukraine fördern können, ist ganz im Sinne des Einsatzes des SNF für ein freies und vielfältiges Wissenschaftssystem.»
Diese gemeinsamen Forschungsprojekte werden unter anderem unterstützt
Massenproduktion für gewagte Physik
Teilchendetektoren, wie sie etwa im CERN oder am PSI stehen, brauchen sogenannte Szintillatoren. Davide Sgalaberna von der ETH Zürich und Andriy Yuriyovich Boyaryntsev von der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine entwickeln gemeinsam eine neue Herstellungsmethode mit Hilfe von 3D-Druck. Sie ebnen damit den Weg für die Massenproduktion solcher Szintillatoren. Die Vereinfachung des Prozesses sowie die Senkung der Kosten könnten einen grossen Einfluss auf die experimentelle Teilchenphysik haben.
Hilfe bei angeschlagener Psyche
Der Krieg in der Ukraine hat verheerende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung. Andriana Mykolayvna Kostenko von der staatlichen Universität Sumy in der Ukraine und Milo Puhan von der Universität Zürich untersuchen deswegen gemeinsam, ob und wie neue Angebote wie zum Beispiel Online-Beratungen von den Leuten vor Ort angenommen werden und wie sich diese auf ihre psychische Gesundheit auswirken. Ziel ist es, ein flexibles System aufzubauen, das sich stets an neue Erkenntnisse anpasst und das ausserdem leicht zugänglich und frei von Stigmatisierung ist.
Kantönligeist als Vorbild
Mykhailo Drahomanov ist eine wichtige Figur der ukrainischen Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts. Der Historiker und politische Denker war ein starker Befürworter der ukrainischen Unabhängigkeit und zum Exil gezwungen, das er teilweise in der Schweiz verbrachte. Er nahm den Föderalismus als Modell für die Bildung eines zukünftigen ukrainischen Staates und sah ihn als Heilmittel gegen die Zentralisierung durch das russische Imperium. Oleksii Vasylovych Yas von der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine und Béla Kapossy von der Universität Lausanne untersuchen das politische Denken von Drahomanov. Sie wollen ausserdem ein digitales Archiv entwickeln, um die Forschung an seinen Werken zu fördern.