COST: Im Dialog die besten Fragen und Projekte entwickeln
Der wissenschaftliche Austausch in einem internationalen COST-Forschungsnetzwerk fordert vollen Einsatz. Doch wer dazu bereit ist, profitiert enorm, wie Célia Baroux und Matthias Drilling berichten.
Das Rezept ist simpel und seit über fünfzig Jahren ein Erfolg. Die Europäische Zusammenarbeit in wissenschaftlicher und technischer Forschung (COST) bietet einen Förderrahmen für internationale Forschungsnetzwerke. Sie überlässt es aber ganz der Initiative von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, in sogenannten COST-Aktionen die heissesten Themen zu definieren, den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen zu gestalten, neue Ideen und Projekte zu entwickeln.
Das Netzwerk ist ebenso wichtig wie die eigene Forschung
So etwa in der COST-Aktion INDEPTH, in der sich von 2017 bis 2021 fünfzehn Forschungsgruppen mit der Frage auseinandersetzten, wie das Zusammenspiel von DNA und epigenetischen Faktoren die Eigenschaften von Pflanzen bestimmt. Während der für COST-Aktionen üblichen vierjährigen Laufzeit war Célia Baroux, Pflanzen-Zellbiologin an der Universität Zürich, Co-Vorsitzende des Netzwerks und wurde vom SNF unterstützt. «Ich habe mich der COST-Aktion angeschlossen, um vom internationalen Netzwerk zu profitieren und Wissen auszutauschen», sagt sie. «Erst später habe ich mich dann beim SNF um Mittel für ein konkretes COST-Forschungsprojekt beworben.»
Célia Baroux hebt hervor, dass die Förderung durch den SNF auch der ganzen COST-Aktion zugutekommt, denn sie ermöglicht, Projektideen aus den Netzwerkaktivitäten heraus zu erarbeiten. Das geförderte Projekt sehe sie dabei auch als eine Art Kompensation für den Aufwand, der mit einer aktiven Rolle in der COST-Aktion verbunden ist: Die Koordination einer grossen Forschungsgemeinschaft, die Organisation von Veranstaltungen und die Berichterstattung nehmen viel Zeit in Anspruch. Auch hat Célia Baroux mehrmals Austauschstudentinnen und -studenten von internationalen Partnern in ihrer Gruppe zu Gast gehabt, jeweils für zwei bis drei Monate. «All das fordert viel», sagt sie. «Es ist aber zugleich entscheidend dafür, dass COST-Aktionen äusserst aktiv und dynamisch sind und für alle Beteiligten einen enormen Mehrwert bringen.»
«Man wird auch stark hinterfragt und herausgefordert»
Den hohen Nutzen des offenen und aktiven Austauschs betont auch Matthias Drilling, Professor für Stadtentwicklung und Soziale Arbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz: «Bevor ich bei COST-Aktionen Unterstützung für ein Projekt beantrage, diskutiere ich mit Forschenden aus zwanzig oder noch mehr Ländern. Daraus entstehen fast immer exzellente Ideen.» Als Beispiel nennt er die COST-Aktion YOUNG-IN, deren Abschlusskonferenz er gerade federführend vorbereitet. In dieser COST-Aktion untersuchen Forschende die Schwierigkeiten, mit denen benachteiligte junge Erwachsene beim Einstieg ins Berufsleben und bei der Familiengründung konfrontiert sind.
«Seitens der Schweiz haben wir das Thema Wohnungsmarkt im Netzwerk eingebracht», so Drilling. «Denn eine eigene Wohnung ist besonders für die Familiengründung zentral, in der Schweiz für viele junge Leute aber schwierig zu finden.» Die Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern hätten wichtige Ansätze geliefert, um das Thema auch hier besser zu erforschen und Lösungsansätze hervorzubringen. Doch sei der internationale Dialog kein Spaziergang, sagt Matthias Drilling: «Wir treffen uns in der COST-Aktion alle sechs Monate, man ist sozusagen in einer Dauerdebatte – und wird auch stark hinterfragt und herausgefordert.»
Doch genau das führe zu den besten Ideen. So hat Matthias Drilling mittlerweile in dieser – nicht seiner ersten – COST-Aktion eine vielbeachtete Studie durchgeführt. Dabei konnte er zwei auf dem Arbeitsmarkt besonders benachteiligte Flüchtlinge aus Eritrea und Äthiopien mit Masterabschluss als Wissenschaftliche Assistenzen anstellen.
Fruchtbare Grundlage für weitere Forschungsvorhaben
Nicht zuletzt, so heben Célia Baroux und Matthias Drilling gleichermassen hervor, eröffne die Teilnahme an einer COST-Aktion über diese hinaus eine Fülle weiterer Möglichkeiten: Matthias Drilling etwa hat gerade mit einer seiner früheren COST-Forschungsgruppen erfolgreich ein Doktoratsnetzwerk im Rahmen der europäischen Marie-Sklodowska-Curie-Massnahmen beantragt, Célia Baroux pflegt verschiedene internationale Kollaborationen als direkte Folge ihres Engagements in der COST-Aktion INDEPTH. Und dank der hohen Intensität des vierjährigen Austauschs in COST seien die einmal geknüpften Netzwerke sehr beständig und gewinnbringend für viele weitere Jahre.
COST: Verbinden Sie lebendige Debatten und konkrete Projekte
Sie pflegen gerne den internationalen Dialog mit engagierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern? Dann sind Sie in einer europäischen COST-Aktion genau richtig. Der SNF kann Sie dabei unterstützen, sich an einer bestehenden Aktion zu beteiligen, eine neue Aktion ins Leben zu rufen oder im Rahmen einer Aktion ein Forschungsprojekt umzusetzen. Die nächste Eingabefrist für COST-Aktionen ist der 25. Oktober 2023 (Eingabe bei der Europäischen Zusammenarbeit in wissenschaftlicher und technischer Forschung), für vom SNF geförderte COST-Projekte der 20. April 2023 (Eingabe beim SNF). Die Schweiz ist Vollmitglied von COST. Somit sind Forschende mit Arbeitsort in der Schweiz bei allen COST-Aktivitäten zu einer Teilnahme ohne Einschränkungen berechtigt.