Nanoplastik stresst Bäume und mindert Fotosynthese
Nadel- und Laubhölzer können über die Wurzeln kleinste Plastikpartikel aufnehmen. Diese gelangen bis in Blätter und Nadeln, wo sie auf die Fotosynthese wirken. Der genaue Mechanismus dahinter ist noch nicht ganz geklärt.
Es ist bekannt: Immer mehr Plastikmüll landet im Boden und in Gewässern. Vor allem winzige Partikel in Mikro- und Nanogrösse machen den Forschenden Sorgen. Denn noch ist unklar, auf welchem Weg und in welchem Masse sie in Lebewesen eindringen − und welchen Effekt dies auf den Stoffwechsel hat.
Die vom SNF geförderte ETH-Forscherin Denise Mitrano konnte nun zusammen mit dem Ökologen Arthur Gessler von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft zeigen, wie Bäume im Wasser enthaltene Nanoplastik durch die Wurzeln aufnehmen. Sie konnten erstmals belegen, dass dies die Fotosynthese negativ beeinflusst. Hierbei kam die von Mitrano entwickelte Methode zum Einsatz, mit der sich Mikro- und Nanoplastik schnell und präzise nachweisen lässt (siehe Infobox).
Hunderte Jungbäume im Wasserbad
Die Forschenden zogen zunächst je hundert Sämlinge von zwei Baumarten mit unterschiedlichem Wasserhaushalt heran: Einen in Europa verbreiteten Laubbaum, die Elsbeere, der viel Wasser benötigt, sowie die Norwegische Fichte, die sparsam mit Wasser umgeht. Im Alter von sieben Monaten wurden die Elsbeeren, mit 18 Monaten dann die langsamer wachsenden Fichten in Hydrokultur umgesetzt. Die Wurzeln der Jungbäume befanden sich also ab jetzt in mit Nährstoffen angereichertem Wasser statt in der Erde. Diesem setzte das Team unterschiedliche Konzentrationen an Nanoplastik zu und analysierte dann zu verschiedenen Zeitpunkten den Gehalt an Plastikpartikeln in verschiedenen Teilen der Bäume. Ausserdem ermittelten sie die Fotosynthese-Aktivität.
Schon nach wenigen Wochen detektierten die Forschenden in den Wurzeln ein bis zwei Milligramm Nanoplastik pro Gramm Pflanzenmaterial. Im Stamm sowie in den Blättern und Nadeln waren es etwa zehn- bis hundertmal weniger. Zwischen den beiden Baumarten gab es keine signifikanten Unterschiede – obwohl die Norwegische Fichte weniger Wasser aufnimmt, sammelte sich dort etwa gleich viel Nanoplastik wie in der durstigen Elsbeere an.
«Das war überraschend. Wir hatten erwartet, dass die Menge an Nanoplastik an die Menge des aufgenommenen und in die Blätter transportierten Wassers gekoppelt ist», sagt Gessler. Das Ergebnis lässt darauf schliessen, dass Nanoplastik nicht wie bisher gedacht durch winzige Risse im Wurzelgewebe in die Bäume gelangt, sondern in Zellen in der Wurzel aufgenommen und von dort aus weiter in die Baumkronen transportiert wird.
Wohl in Zellmembrane eingelagert
Den Forschenden gelang auch der Beweis, dass Nanoplastik in den Blättern und Nadeln wichtige physiologische Prozesse beeinflusst: Ihre Messungen zeigten, dass die Effektivität der Fotosynthese in der Elsbeere innerhalb von zwei Wochen um ein Drittel, in der Fichte innerhalb von vier Wochen um etwa zehn Prozent sank – jeweils im Vergleich zu Bäumen, die in Wasser ohne Nanoplastikbeigabe standen. «In den Nadeln müssen die Partikel eine zusätzliche zelluläre Barriere überwinden, deshalb dauert es wohl bei der Fichte länger als im Laubbaum», so Gessler.
Das Resultat deutet daraufhin, dass ein Teil der Energie des Sonnenlichtes nicht mehr für die Fotosynthese verwendet, sondern als Wärme abgeleitet wird. «Das ist eine typische Stressreaktion bei Bäumen», so Gessler. «Meine Vermutung ist, dass sich Nanoplastik in Zellmembrane einlagert und diese beschädigt.» Eine solche Einlagerung könnte auch in anderen Lebewesen Schäden verursachen. Denn Membrane spielen in vielen physiologischen Prozessen eine zentrale Rolle.
Die verminderte Fotosynthese hatte keinen Einfluss auf das Wachstum der Bäume. Allerdings beobachteten die Forschenden die Bäume nur über einen kurzen Zeitraum von vier Wochen – über längerfristige Folgen lässt sich deshalb nichts aussagen. Zudem kamen in der Studie relativ hohe Mengen an Nanoplastik zum Einsatz. Bei geringeren Konzentrationen an Nanoplastik oder bei Wachstum im Boden statt in Hydrokultur könnten die Effekte anders ausfallen.
«Unsere Studie soll nicht den Eindruck vermitteln, dass Bäume durch Nanoplastik sterben könnten», so Mitrano. Aber es könne ein zusätzlicher Stressfaktor sein. Vor allem für Bäume in der Stadt – die sowieso schon in erhöhtem Masse unter Hitze, Trockenheit und Luftverschmutzung leiden.
Metall im Styropor
Die Umweltchemikerin Denise Mitrano stellt Styropor-Nanopartikel her, die winzige Spuren des Metalls Palladium enthalten. «Durch das Metall können wir Nanoplastik einfach mit dem Massenspektrometer nachweisen und quantifizieren. Sonst wäre das nur mit einem Riesenaufwand möglich, wenn überhaupt», erklärt sie. Für die Entwicklung dieser Methode hat Mitrano den Marie Heim-Vögtlin-Preis 2021 des SNF erhalten.