Die Alchimisten der heutigen Zeit
Elektroschrott ist eine wahre Goldgrube. Das Projekt «El Dorado 2.0 – Unlock the Gold in Your Pocket» sensibilisiert für Recycling und wird mit dem Preis Optimus Agora 2022 ausgezeichnet.
Die meisten Leute tragen etwas Gold auf sich. Nicht unbedingt als Blickfang in Form von Schmuck, aber ziemlich sicher versteckt im Mobiltelefon. Wendy Queen, Chemikerin und Leiterin des Labors für funktionelle anorganische Materialien an der EPFL Wallis, möchte das Bewusstsein für diesen «Goldschatz» wecken und aufzeigen, wie wichtig es ist, elektronische Geräte zu rezyklieren und die darin enthaltenen Edelmetalle zurückzugewinnen. Gemeinsam mit Mirko Bischofberger, der bis vor Kurzem die Abteilung Kommunikation an der EPFL leitete, hat die Wissenschaftlerin deshalb das Agora-Projekt «El Dorado 2.0 – Unlock the Gold in Your Pocket» eingereicht. Mit Erfolg: Es wurde in diesem Jahr mit dem Preis Optimus Agora ausgezeichnet. Die Preisverleihung findet am 22. Juni an der Konferenz ScienceComm in Bern statt. Wir haben der Gewinnerin fünf Fragen gestellt.
Woran forschen Sie zurzeit?
Wendy Queen: Wir produzieren Moleküle, die sehr effizient und selektiv grosse Mengen von seltenen Elementen einfangen, die in einer Flüssigkeit gelöst sind. Diese Moleküle kann man sich als extrem poröse Schwämme vorstellen: Ein Gramm dieser Materialien hat eine Kontaktoberfläche, die so gross sein kann wie ein Fussballplatz.
Wie sind Sie darauf gekommen, Gold zu rezyklieren?
Wir arbeiteten bereits an der Rückgewinnung von Quecksilber. Ich habe dann die Idee gehabt, die von uns entwickelten schwammartigen Moleküle auch an Gold zu testen, das ähnliche Eigenschaften besitzt. Und es hat funktioniert. Wir wollen die Technik zwar noch weiter optimieren, können aber bereits jetzt mit einem Gramm Molekül ein Gramm Gold gewinnen. Und das ist wichtig. Denn Gold ist ein besonderes Metall, das in der Geschichte der Menschheit seit jeher eine wichtige Rolle spielt. Es war Auslöser für Eroberungen, Kriege und Revolutionen, aber auch Inspirationsquelle in der Kunst. Die Menschheit war schon immer von Gold fasziniert.
Und heute?
Alles ist anders, seit dieses Metall wegen der guten Leitfähigkeit und Korrosionsbeständigkeit in der Elektronik verwendet wird. Gold geht verloren, wenn elektronische Gegenstände am Ende ihrer Lebensdauer nicht rezykliert werden, was noch immer bei 80 Prozent der Fall ist. Zwar enthält jeder Gegenstand nur winzige Mengen, insgesamt summiert sich dies jedoch zu einem Wert von zehn Milliarden Euro pro Jahr. Dadurch steigt der Druck zum Abbau des Minerals in verschiedenen Weltregionen. Für das Gold, das zur Herstellung von nur 40 Mobiltelefonen benötigt wird, braucht es fast eine Tonne goldhaltiges Erz. Vor unserer Zeitepoche war Gold nie verschwendet worden.
Ihr Verfahren scheint technisch sehr anspruchsvoll. Weshalb haben Sie das Projekt über das Förderinstrument Agora eingereicht, das sich an die breite Öffentlichkeit richtet?
Eben zur Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit! Meines Erachtens ist es wichtig, über die Rezyklierung von Edelmetallen und insbesondere von Gold zu informieren. Denn wir alle können viel bewirken, wenn wir unser Verhalten ändern, zum Beispiel nicht jedes Jahr ein neues Telefon kaufen. Der Verbrauch dieser Geräte steigt, die Ressourcen bleiben jedoch begrenzt.
Wie möchten Sie die Allgemeinheit konkret sensibilisieren?
Wir möchten ein Spielgerät entwickeln, das in Echtzeit zeigt, wie man mit einem Mobiltelefon Gold zurückgewinnen kann. Das Gerät wollen wir an öffentlich zugänglichen Orten wie der EPFL oder in Wissenschaftsmuseen aufstellen. Aber nicht nur: Geplant ist auch ein Gerät in einem der meistbesuchten Einkaufszentren der Schweiz. Wir arbeiten dazu mit dem Glattzentrum in Zürich zusammen und möchten so möglichst viele Menschen und insbesondere auch Familien mit Kindern erreichen. Sie sind ja die Konsumentinnen und Konsumenten der Zukunft. Für Interessierte stellen wir auch didaktisches Material zur Verfügung. Und als Ergänzung planen wir Workshops und Konferenzen.