Baumwollfasern statt Kohlenstoffnanoröhrchen
Kurzfristige Schäden sind keine zu erwarten, wenn aus Pflanzen gewonnene Zellulosenanofasern eingeatmet würden.
Doch Lungenzellen eliminieren längere Fasern weniger effizient als kurze, zeigt eine Untersuchung im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms "Chancen und Risiken von Nanomaterialien" (NFP 64).
Wie die Kohlenstoffnanoröhrchen, die in Fahrradrahmen oder Tennisschlägern stecken, wiegen auch Nanofasern aus Zellulose wenig und sind trotzdem sehr reissstark. Ihre Herstellung ist zudem wesentlich billiger, da sie auch aus pflanzlichen Abfällen wie etwa von Baumwolle oder Bananen gewonnen werden können. "Bis sie sich auf dem Markt durchsetzen, ist wohl nur eine Frage der Zeit", sagt Christoph Weder vom Adolphe Merkle Institut der Universität Freiburg.
Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms "Chancen und Risiken von Nanomaterialien" (NFP 64) hat er zusammen mit dem Team von Barbara Rothen-Rutishauser untersucht, ob diese pflanzlichen Nanofasern der Lunge schaden, wenn sie eingeatmet würden. Dabei greift die Gruppe um Rothen-Rutishauser nicht auf Tierversuche zurück, sondern verwendet ein selbstentwickeltes, komplexes 3D-Lungenzellsystem, das mit verschiedenen menschlichen Zellkulturen die Lungenoberfläche im Reagenzglas simuliert.
Kürzer ist besser
Ihre nun veröffentlichten Resultate (*) bedeuten in erster Linie eine Entwarnung: Die untersuchten Lungenzellen zeigen keine Anzeichen von akutem Stress oder Entzündungsreaktionen. Doch während das Lungenzellsystem kurze Fasern effizient eliminiert, bleiben längere Fasern auf der Zell-Oberfläche liegen, wie die Gruppe um Barbara Rothen-Rutishauser berichtet.
"Die Versuche dauerten nur zwei Tage, weil wir die Zellkulturen nicht länger wachsen lassen können", schränkt Rothen-Rutishauser jedoch ein. Deshalb könnten die Forschenden nicht sagen, ob die längeren Fasern sich auf die Dauer negativ auf die Lunge auswirken würden. Von Versuchen mit Kohlenstoffnanoröhrchen sei aber bekannt, dass die Lungenzellen im Kontakt mit langen Röhrchen aus dem Gleichgewicht geraten, weil sie andauernd – aber vergeblich – versuchten, die Röhrchen ins Zellinnere zu schleusen. "Diese frustrierte Phagozytose kann Entzündungsreaktionen auslösen", sagt Rothen-Rutishauser. Zur Vermeidung möglicher negativer Wirkungen auf die Gesundheit empfiehlt sie Unternehmen, die Produkte mit Nanofasern entwickeln wollen, nicht lange, steife, sondern möglichst kurze und weiche Fasern zu verwenden.
(*) C. Endes, S. Mueller, C. Kinnear et al. (2015). Fate of Cellulose Nanocrystal Aerosols Deposited on the Lung Cell Surface In Vitro. Biomacromolecules online: doi: 10.1021/acs.biomac.5b00055
Nationales Forschungsprogramm "Chancen und Risiken von Nanomaterialien" (NFP 64)
Das nationale Forschungsprogramm "Chancen und Risiken von Nanomaterialien" (NFP 64) möchte die Lücken im gegenwärtigen Wissen über Nanomaterialien schliessen. Die mit der Herstellung, dem Einsatz und der Entsorgung von künstlichen Nanomaterialien verbundenen Chancen und Risiken für Mensch und Umwelt sollen besser verstanden werden. Die Forschungsprojekte haben im Dezember 2010 begonnen.
Kontakt
Prof. Barbara Rothen-Rutishauser
Adolphe Merkle Institut
Universität Freiburg
Ch. des Verdiers 4
CH-1700 Fribourg
Tel. +41 (0) 26 300 95 02
E-Mail barbara.rothen@unifr.ch