Förderung für medizinische Themen, die nicht im Fokus der Industrie stehen
Der SNF finanziert sechs klinische Studien zu ungenügend erforschten Themen mit 14,5 Millionen Franken. Über die Wahl der Projekte entscheiden auch Patientinnen und Patienten.
Kann die Veränderung der Flüssigkeitszufuhr bei Frühgeborenen die Entstehung von chronischen Lungenkrankheiten verringern? Medizinische Fragen wie diese stehen nicht im Fokus der Industrie, obwohl sie für die Gesellschaft von grosser Bedeutung sind. Deshalb fördert der SNF seit 2016 vielversprechende klinische Studien zu solchen, ungenügend erforschten Themen.
Für die Ausschreibung 2023 des Programms «Investigator Initiated Clinical Trials» (IICT) hat er 40 Gesuche erhalten. Sechs davon unterstützt er nun mit insgesamt 14,5 Millionen Franken (siehe Box). Die Forschenden werden vier bis fünf Jahre an ihren klinischen Studien arbeiten. Dafür rekrutieren sie pro Projekt zwischen 220 und 9074 Patientinnen und Patienten.
Evaluationsgremium mit Patientinnen und Patienten
Zum vierten Mal wirkten vier Patientinnen und Patienten bei der Auswahl der besten Projekte mit. Was 2021 als Pilotversuch startete, ist nun Standard. Es hat sich wiederum gezeigt, dass die Diskussionen mit diesen vier Personen sehr hilfreich sind. Sie bringen die Sicht und die konkreten Bedürfnisse der Betroffenen ein.
Seit 2016 hat der SNF insgesamt 57 klinische Studien gefördert. Die nächste Ausschreibung ist bereits im Gang: Im Mai 2024 haben die Forschenden ihre Teilnahmeabsicht bekundet. Bis zum 1. November 2024 reichen sie ihre Gesuche ein.
Die sechs bewilligten Projekte
Das Bakterium Staphylococcus aureus ist einer der Hauptgründe für Todesfälle im Zusammenhang mit Infektionen. Ein Forschungsteam um Richard Kühl vom Universitätsspital Basel untersucht in einer schweizweiten Studie, ob die Kombination von Standardantibiotika mit dem Antibiotikum Linezolid vorteilhaft ist für Patientinnen und Patienten mit Staphylococcus aureus-Infektionen im Blutkreislauf.
Bei ungefähr 20 Prozent der Frühgeborenen kommt es in den ersten Lebenswochen zu chronischen Lungenkrankheiten, die sich auf ihre weitere Entwicklung negativ auswirken können. Sven Schulzke vom Universitäts-Kinderspital beider Basel erforscht, ob eine veränderte Flüssigkeitszufuhr bei Frühgeborenen die Entstehung von solchen chronischen Lungenkrankheiten verringern kann.
Kevin Selby von der Unisanté Lausanne untersucht neue, risikobasierte Früherkennungsprogramme für Darmkrebs. Im Vergleich zu den Standardmethoden könnten sie gezielter eingesetzt werden und würden Risiken und Belastungen für einen Grossteil der Bevölkerung verringern.
Derzeit ist nicht bekannt, ob die Verabreichung antiviraler Medikamente vorteilhaft ist für Patientinnen und Patienten, die wegen schwerer, fortschreitender grippaler Infektionen ins Spital eingeliefert werden. Pauline Vetter vom Universitätsspital Genf untersucht diesen Behandlungsansatz und versucht, einen internationalen Konsens über die späte Verabreichung antiviraler Medikamente zu schaffen. Das könnte auch im Hinblick auf zukünftige Pandemien hilfreich sein.
Das Risiko von Venenthrombosen und Lungenembolien steigt bei Frauen nach der Entbindung. Bisher ist die Forschung zur Wirksamkeit und Sicherheit von präventiven Behandlungen im Wochenbett noch unzureichend. Marc Blondon vom Universitätsspital Genf untersucht in einer internationalen klinischen Studie, ob eine kurzfristige Behandlung mit niedrig dosiertem Heparin das Auftreten von Thrombosen und Embolien nach der Entbindung verhindern kann.
Immer mehr Lebertransplantationen werden aufgrund von Leberkarzinomen durchgeführt. In 15 Prozent der Fälle kommt es jedoch zu einer Rückkehr des Tumors nach der Transplantation, was mit der Qualität der Spenderleber zusammenhängt. Philipp Dutkowski vom Universitätsspital Basel untersucht, ob die Wahrscheinlichkeit einer solchen Rückkehr durch maschinelle Perfusion (eine Art Spülung) der Spenderleber vor der Transplantation verringert werden kann.