Siebenschläfer bereits vor 34 Millionen Jahren im Winterschlaf

Dieses Bild zeigt einen Siebenschläfer im Winterschlaf

Nagetierfossilien lassen vermuten, dass der Winterschlaf bereits vor 34 Millionen Jahren als Überlebensstrategie existierte. Dies zeigt eine Analyse von Forschenden, die der Schweizerische Nationalfonds unterstützt hat.

Bisher wurde vermutet, dass sich die Fähigkeit zum Winterschlaf erst vor rund 2,6 Millionen Jahren zu Beginn des Quartären Eiszeitalters entwickelte. Dieses Verhalten könnte bei gewissen Säugetieren jedoch wesentlich früher aufgetreten sein. Zu diesem Schluss kommt eine vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützte Studie. Die Ergebnisse erscheinen im Journal of Systematic Paleontology (*).

Mit seinem Team hat sich Olivier Maridet, Kurator am Jurassica Museum in Pruntrut und Paläontologe an der Universität Freiburg, mit der Evolutionsgeschichte der Familie der Bilchmäuse beschäftigt: kleine Nagetiere mit buschigem Schwanz, zu denen etwa der Siebenschläfer, der Gartenschläfer oder die Haselmaus gehören. Als der Forscher die Zahl der Arten dieser Familie im Laufe der Zeit mit der Entwicklung des Klimas verglich, fiel ihm auf, dass es drei Mal zu einer Diversifizierung kam und jede dieser Episoden mit einer Eiszeit zusammenfiel. "Diese Nagetiere mussten über einen Vorteil verfügen, dank dem sie sich während dieser Perioden so gut entwickelten. Wir gehen davon aus, dass es der Winterschlaf war."

Archaisches Defizit wird zum Vorteil

Bereits bekannt war aufgrund der Fossilien gewisser Nagetiere, dass der Winterschlaf vor 2,6 Millionen Jahren existierte – ihre Schneidezähne weisen nämlich saisonale Wachstumspausen auf. Demnach entwickelte und verbreitete sich diese Fähigkeit als Reaktion auf die schwierigen Überlebensbedingungen dieser Epoche am Anfang des Quartären Eiszeitalters – des jüngsten Zeitabschnitts der Erdgeschichte. In ihrer Studie gelangen Olivier Maridet und sein Team nun jedoch zum Schluss, dass die Bilchmäuse bereits vor 34 Millionen Jahren den Winter schlafend verbracht haben könnten. "Somit könnte es sich um ein archaisches Merkmal handeln, das bei gewissen Arten bis heute bewahrt wurde und bei anderen verloren ging, weil sie andere Überlebensstrategien als den Winterschlaf wählten", erklärt Olivier Maridet.

Das Forschungsteam befasste sich mit den Bilchmäusen im Rahmen seiner Forschungsarbeiten zum Übergang zwischen Eozän und Oligozän, der in Europa wegen seiner einschneidenden Folgen auch als "Grande Coupure" (grosser Einschnitt) bezeichnet wird. Damals kam es zu einer deutlichen Abkühlung, die zur Bildung der Polkappe in der Antarktis und zu einem sinkenden Meeresspiegel führte, was die Wanderung von Tierarten zwischen den Kontinenten erleichterte.
In Europa gab es bei den Säugetieren zu diesem Zeitpunkt grosse Umwälzungen. Viele von ihnen, wie die Adapoidea (ausgestorbene Primaten), Palaeotherien (entfernte Cousins der heutigen Pferde) oder bestimmte in Europa heimische Nagetiergruppen verschwanden. Jüngere, aus Asien stammende Arten siedelten sich an, unter anderem Hamster, Biber, Nashörner, Schweine und Tapire. Den Bilchmäusen gelang es, diese Krise durchzustehen – und sich dabei sogar zu diversifizieren. "Nach dem Massensterben an der Kreide-Paläogen-Grenze vor 65 Millionen Jahren, dem unter anderem die Dinosaurier zum Opfer fielen, ist dieser Übergang eines der Ereignisse mit den weitreichendsten Auswirkungen auf die Ökosysteme", sagt Olivier Maridet.

Zähne als Zeitzeugen

Zu diesen Ergebnissen gelangten die Forschenden, indem sie über 500 fossile Zähne von Bilchmäusen aus Frankreich und Spanien auswerteten. Sie analysierten die Grösse und Form nach 124 verschiedenen Kriterien und identifizierten so den Verwandtschaftsgrad zwischen den Arten. Ausserdem scannten sie Zähne mittels Röntgentomografie, um ihnen auch Informationen aus dem Innern zu entlocken. Und das Resultat ist beeindruckend: Zum ersten Mal liess sich die Evolution der Familie der Bilchmäuse vollständig abbilden – einschliesslich der fossilen Arten. Ausserdem konnten die Forschenden die verwandtschaftliche Nähe zwischen den heute bekannten Arten mit molekularen Methoden bestätigen. Die detaillierte Analyse der Zahnanatomie der Bilchmäuse zeigte zudem, dass es an der Zeit war, den Stammbaum dieser Familie zu entstauben.

(*) X.-Y. Lu, L. Costeur, M. Hugueney, O. Maridet: New data on early Oligocene dormice (Rodentia, Gliridae) from southern Europe: phylogeny and diversification of the family. Journal of Systematic Paleontology (2021).https://doi.org/10.1080/14772019.2021.1888814External Link Icon

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