Doppelter Knockout für Malaria

Ein Team von Forschenden, medizinischem und technischem Personal aus der Schweiz und aus Tansania bereitet Malaria-Schnelltests und Blutproben für die Diagnose der Stadien des Malariaparasiten Plasmodium falciparum vor.
© CC-BY-NC-ND / Lorenz Hofer

Der Malaria-Parasit tötet jährlich immer noch fast eine halbe Million Menschen. Ein SNF-Projekt hat nun ein Gen identifiziert, das einen wirksamen und sicheren Lebendimpfstoffs in Aussicht stellt.

«In der Menschheitsgeschichte gibt es wahrscheinlich keine Krankheit, die mehr Menschenleben ge-kostet hat als Malaria», sagt Zellbiologe Volker Heussler, der vom SNF unterstützt wird. Auch wenn die Todesfälle durch die von Mücken übertragene Krankheit in den letzten Jahrzehnten weniger geworden sind, so sterben jährlich doch immer noch über 400’000 Menschen daran und mehr als 200 Millionen infizieren sich neu.

Zwar dämmen Massnahmen wie mit Insektizid behandelte Wände und Moskitonetze die Krankheit ein. «Aber um Malaria endgültig auszurotten, bräuchte es zusätzlich noch einen effektiven und lange anhaltenden Impfschutz», so Heussler, der das Institut für Zellbiologie der Universität Bern leitet. Und genau das bieten die bisher entwickelten Impfstoffe nicht. Dank der Förderung des SNF konnte das Team von Heussler nun einen neuen Ansatz verfolgen und ein Gen des Malaria-Parasiten identifizieren, das die Forschung einen Schritt näher an eine wirksame Immunisierung bringt.

In der Leber muss Schluss sein

Ein Grund für die Schwierigkeit ist der komplexe Lebenszyklus des Parasiten Plasmodium falciparum. Der Einzeller gelangt durch einen Mückenstich ins menschliche Blut und wandert rasch in die Leberzellen ein, wo er sich einige Tage lang vermehrt. Dann werden mehrere Zehntausend Parasiten ins Blut ausgeschüttet, wo sie die roten Blutkörperchen befallen und so die gefürchteten Fieberschübe auslö-sen. Die bisher zugelassenen Vakzine bestehen aus einem einzelnen Protein des Parasiten, das nur eine begrenzte Anzahl an Immunzellen aktiviert. Die Impfung erzeugt bei maximal siebzig Prozent der Geimpften einen Schutz und hält ohne Auffrischung etwa ein Jahr an, dann beginnt der Antikörpertiter zu sinken. «Natürlich besser als nichts, aber alles andere als optimal», so Heussler.

Deswegen verfolgen sein Team und weitere Forschungsgruppen nun einen neuen Weg: einen Impfstoff, der aus einem vollständigen, aber abgeschwächten Parasiten besteht. Dieser bietet viel mehr Angriffsziele für das Immunsystem. Solche Lebendimpfstoffe werden bereits erfolgreich gegen virale Infektionskrankheiten wie Masern eingesetzt. Sie gelten als sicher und haben wenig Nebenwirkungen. Zuvor wurde schon eine Abschwächung des Malaria-Parasiten mittels Bestrahlung getestet; dies lässt sich aber nicht mit genügender Präzision durchführen. Deshalb haben die Forschenden nun versucht, den Einzeller durch gezielte genetische Modifikationen zu drosseln − und zwar so, dass er es nur bis in die Leber schafft und nicht ins Blut ausgeschüttet wird. Denn dann kann er keine Malaria auslösen.

Ein weiterer Vorteil dieses Ansatzes: In der Leber hält sich der Parasit mehrere Tage lang auf. Ideale Voraussetzungen für eine volle Stimulierung des Immunsystems und die Bildung von Gedächtniszel-len, wie vorherige Untersuchungen gezeigt haben. «Die Infektion der Leberzellen ist ein Flaschenhals, wo man den Parasiten packen und eliminieren kann», erklärt Heussler. Mit einem gross angelegten Screening haben die Forschenden deshalb nach Genen gesucht, deren Verlust den Krankheitserreger nicht tötet, aber in der Leberphase stoppt. Hierzu testeten sie 1’500 verschiedene Varianten des Para-siten, bei denen jeweils ein anderes Gen ausgeknockt worden war. Für diese Untersuchungen arbeite-ten sie mit dem Einzeller Plasmodium berghei, der mit Plasmodium falciparum eng verwandt ist, aber statt Menschen Mäuse befällt.

Durchbrüche äusserst gefährlich

Dabei fanden sie wie erhofft einen genetisch modifizierten Parasiten, der die geforderten Eigenschaften aufwies: Er drang bis in der Leber vor und vermehrte sich dort, wurde danach aber nicht ins Blut ausgeschüttet. Dieser beeinträchtigte Erreger wäre deshalb ein guter Kandidat für eine effektive Immunisierung. Allerdings ist dabei laut Heussler Vorsicht geboten: «Bei einer Impfung, die millionenfach verabreicht werden soll, muss sichergestellt sein, dass der abgeschwächte Parasit nicht doch verein-zelt durchkommt und Malaria auslöst.» Dies könnte beispielsweise passieren, wenn im betreffenden Einzeller eine selten genutzte oder wenig effektive Alternative zum blockierten Stoffwechselweg existiert.

Um solche verheerenden Durchbrüche zu vermeiden, bräuchte es deshalb idealerweise einen mehrfach geschwächten Parasiten – bei dem also mindestens zwei Gene ausgeknockt sind, die zudem ver-schiedene Stoffwechselwege beeinträchtigen. Eine solchen doppelten Knockout konnte Heussler nun erzeugen und testen: Zusätzlich zu dem von seiner Gruppe neu gefundenen Gen schaltete er bei dem Krankheitserreger noch ein weiteres Gen aus. Dieses arretiert den Parasiten ebenfalls im Leberstadium und war von einer amerikanischen Forschungsgruppe identifiziert worden.

Die ersten Versuche mit dem zweifach geschwächten Parasiten lieferten sehr vielversprechende Resultate: Die damit geimpften Mäuse sind vollständig gegen Malaria geschützt und erkrankten nicht durch die Impfung, selbst nicht mit einer sehr hohen Dosis. Heussler hofft nun, dass sich diese Ergebnisse auf den menschlichen Parasiten Plasmodium falciparum übertragen lassen. Bis zu einem wirklich sicheren Vakzin ist es aber noch ein weiter Weg. Vielleicht wäre dafür sogar ein dreifacher Knockout nötig. «Wenn es nämlich doch zu Durchbrüchen kommen würde, dann könnte man den neuen Impfstoff gleich wieder beerdigen.»