So haben Sie das Panorama der Schlacht bei Murten noch nie gesehen

© Cyril Zingaro / Keystone

Mit einem digitalen Zwilling ins Panorama der Schlacht bei Murten eintauchen – inklusive Geräusche, Gerüche und nachgestellten Szenen: Damit gewinnt das «TheTeraPixel Panorama Project» den Preis Optimus Agora 2024.

Die Schweiz ist international bekannt für ihre Rundgemälde aus dem 19. Jahrhundert, sogenannte Panoramen. Deshalb ist es naheliegend, dass sich Sarah Kenderdine und Daniel Jaquet von der EPFL seit Jahren für solche Werke interessieren und auch für ihr Agora-Projekt «The TeraPixel Panorama Project» eines davon wählten: das Panorama der Schlacht bei Murten (1893).

Im Jahr 2023 holte das Labor für experimentelle Museologie der EPFL (eM+) die wertvollen Rollen, aus denen sich das Panorama zusammensetzt, aus dem Militärbunker, wo diese über zwanzig Jahre eingelagert waren. Zuerst wurden Konservierungsarbeiten durchgeführt, dann folgte die Digitalisierung des Werks. Der Prozess dauert angesichts der monumentalen Grösse des Gemäldes (1000 Quadratmeter) mehrere Monate – immerhin ist es das grösste digitale Bild eines einzelnen Objekts, das je angefertigt wurde.

Sarah Kenderdine und Daniel Jaquet werden das Digitalbild des Panoramas nun mit verschiedenen Effekten anreichern und es 2025 und 2026 der Öffentlichkeit an Ausstellungen in der Schweiz näherbringen. Für ihr Projekt wurden die beiden Forschenden mit dem Preis Optimus Agora 2024 des SNF ausgezeichnet. Nachfolgend ein Gespräch mit den Prämierten.

Warum haben Sie gerade dieses Panorama für Ihr Projekt gewählt?

Es ist eher umgekehrt: Das Panorama hat uns ausgewählt. Es handelt sich um ein nationales Kulturgut, das die Öffentlichkeit noch kaum gesehen hat. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es einige Jahre in Zürich und Genf ausgestellt, dann verschwand es bis zur Expo.02, wo die Bevölkerung das Werk sechs Monate lang bewundern konnte. Ausserdem hatte die dargestellte Schlacht – der Sieg der Eidgenossen über die Armee des Herzogs von Burgund, Karl dem Kühnen, dem damals mächtigstem Herrscher Europas – einen prägenden Einfluss auf die Geschichte der Schweiz und Europas.

Was sind die Pluspunkte Ihrer digitalen Version gegenüber dem ursprünglichen Panorama?

Das Panorama wird auf ein interaktives 360°-Visualisierungssystem projiziert. Damit das Publikum richtig eintauchen kann und mehr über dieses wichtige historische Ereignis erfährt, werden wir bestimmte Elemente des Panoramas hervorheben. Mit der Company of St. George, die sich auf die Epoche der im Gemälde dargestellten Schlacht spezialisiert hat, werden wir Reenactments erarbeiten: Wir werden ein Dutzend Szenen nachspielen, etwa einen Schwertkampf oder den Umgang mit einer Hellebarde. Das Publikum kann auch auf verschiedene Gegenstände wie Waffen und Kostüme zoomen, die in Schweizer Museen zu finden sind.

Werden Sie auch Gerüche einbeziehen?

Ja, wir haben damit einen Kritikpunkt berücksichtigt, den das Publikum im 19. Jahrhundert gegenüber dem Panorama geäussert hatte. Die Leute waren nämlich der Meinung, dass ein wesentliches Element fehlte: Gerüche. Die Besuchenden werden deshalb ein Halsband mit einem Echtzeitsystem tragen. Je nach Szene, vor der sie stehen, wird das Halsband Gerüche abgeben, die auf dem Schlachtfeld vorkommen: Blut, Schweiss, die Ausdünstungen einer Ziege.

Sie möchten dieses Panorama einem möglichst breiten Publikum langfristig zugänglich machen. Welche Pläne haben Sie konkret?

Wir werden eine Website erstellen, auf der das Panorama jederzeit und auch ausserhalb der Schweiz betrachtet werden kann. In einer Datenbank werden ausserdem Informationen und Anmerkungen von Fachleuten zu diesem Werk erfasst. Da das Projekt verschiedene Leseschlüssel hat und sich an unterschiedliche Zielgruppen richtet, werden wir auch Lehrmaterialien entwickeln. Zudem sind 2025 und 2026 mehrere Ausstellungen geplant, unter anderem im Museum für Gestaltung in Zürich, im Schloss Grandson, im Museum Murten (zum 550. Jahrestag der Schlacht) sowie im Historischen Museum in Bern. Das definitive Programm wird im November veröffentlicht.

Im 19. Jahrhundert waren Panoramen ein beliebtes Kommunikationsmittel, und zu politischen Zwecken wurde teilweise auch ein wenig geschummelt. Welche Elemente der Schlacht sind im Werk nicht wahrheitsgetreu wiedergegeben?

Das Panorama der Schlacht bei Murten wurde 1893 gemalt, 417 Jahre nach dem Ereignis, anlässlich des 400. Jahrestags. Das Panorama ist deshalb keine zuverlässige Informationsquelle über die ursprüngliche Schlacht. Der Maler Louis Braun liess sich übrigens von einer Karte der Schlacht inspirieren, die von Militärhistorikern erfunden worden war. Zum Beispiel sind im Panorama Flaggen abgebildet, die es damals noch nicht gab. Der Künstler romantisierte auch das Schlachtfeld. Auf der Leinwand fliesst nicht viel Blut, und man sieht Hofdamen, die mit Musikern auf Pferden aufmarschieren.