Von Herzfehlern bis Wildtiermanagement: 261 Millionen für zukunftsweisende Forschung

Keyvisual Projektförderung
© Constantine Johnny

Herzfehler bei Neugeborenen, traditionelles Handwerk, Wildtiermanagement oder Plastik-Recycling: Der SNF unterstützt mit seinem grössten Förderinstrument 332 bedeutende Forschungsvorhaben mit 261 Millionen Franken.

Bei jüngeren Bevölkerungsgruppen sinkt das Interesse für Politik. Das zeigt sich unter anderem daran, dass junge Menschen immer weniger politische Nachrichtenkanäle konsumieren. Gleichzeitig versuchen Influencer in den sozialen Medien, junge Menschen zum erstmaligen Wählen zu bewegen. Ein Projekt von Professor Frank Esser an der Universität Zürich untersucht, ob und wie diese Influencerinnen das politische Engagement junger Menschen fördern und wie sich deren Einfluss insgesamt auf die politische Beteiligung auswirkt. Erforscht werden diese Fragen insbesondere in Ländern, in denen kürzlich Wahlen stattgefunden haben oder in nächster Zeit anstehen. Dazu gehören Deutschland, Polen oder die USA. Die Forschungsergebnisse sollen helfen, das politische Engagement von Jugendlichen zu verbessern.

Zum Gelingen dieses Vorhabens trägt auch der SNF bei: Denn Frank Essers Projekt ist eines von 332 neuen Forschungsvorhaben, die der SNF im Rahmen der Projektförderung unterstützt (bei der hier präsentierten Auswertung sind Weave- und Lead-Agency-Projekte nicht enthalten). Für dieses grösste Förderinstrument wird zweimal im Jahr eine Ausschreibung lanciert.

Knapp 900 Gesuche eingegangen

Bei der Ausschreibung im Oktober wurden insgesamt 881 Gesuche evaluiert. Gut ein Drittel davon wurden bewilligt. Diese werden in den kommenden Jahren mit insgesamt 260,6 Millionen Franken gefördert. 36 Prozent der Projekte entfallen auf den Bereich der Lebenswissenschaften, 29 Prozent auf jenen der Geistes- und Sozialwissenschaften. Danach folgen Projekte in den Mathematik-, Natur- und Ingenieurwissenschaften (23 Prozent) und Interdisziplinäre Vorhaben (12 Prozent).

Frauenanteil weiter gestiegen

Mit einem Anteil von 56 Prozent arbeiten die meisten der unterstützten Forscherinnen und Forscher an einer Universität, gut ein Viertel (28 Prozent) ist im ETH-Bereich beschäftigt. Der Anteil der Forschenden an Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und anderen Institutionen hat sich im Vergleich zu den letzten Ausschreibungen weiter vergrössert (von 7 auf 13, jetzt bei 16 Prozent). Auch der Frauenanteil ist weiter gestiegen: 32 Prozent der erfolgreichen Gesuche wurden von Frauen eingereicht (gegenüber 31 Prozent bei der letzten Ausschreibung).

Die nächste Ausschreibung zur Projektförderung läuft bereits: Eingabefrist für neue Gesuche ist der 1. Oktober 2024.

Weitere Beispiele geförderter Projekte

Geistes- und Sozialwissenschaften

Viele Formen traditioneller Handwerkskunst im Alpenraum drohen auszusterben und in Vergessenheit zu geraten. Christine Schranz von der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel will das verhindern: Sie erforscht lokales handwerkliches Wissen und Können und sammelt es in einem digitalen, frei zugänglichen Archiv.

Lebenswissenschaften

  • Die «genetische Last» bezeichnet die Anhäufung verschiedener genetischer Probleme in Populationen. Dazu gehören schädliche Mutationen oder eine höhere Inzuchtwahrscheinlichkeit. Claus Wedekind von der Universität Lausanne untersucht, wie sich die genetische Last natürlicher Fischpopulationen durch menschliche Eingriffe verändert. Ziel des Projekts ist ein besseres Verständnis der evolutionären Prozesse und des Managements von Wildtieren.
  • Kann der Rückgang des Hormons Östradiol in den Wechseljahren bei Frauen zu Typ-2-Diabetes führen oder diesen verschlimmern? Lia Bally und Petra Stute vom Berner Inselspital und Christina Boyle von der Universität Zürich versuchen diesen Zusammenhang zu belegen. Im Projekt werden präklinische und klinische Forschung kombiniert, mit dem übergeordneten Ziel, die kardiometabolische Gesundheit von Frauen nach der Menopause zu verbessern.

Interdisziplinäre Projekte

  • Das hypoplastische Linksherzsyndrom (HLHS) ist einer der schwersten angeborenen Herzfehler und führt unbehandelt bei Neugeborenen fast immer zum Tod. Ein internationales Forschungsteam (Schweiz/Kanada) unter der Leitung von Walter Knirsch und Andras Jakab vom Universitäts-Kinderspital Zürich untersucht im Tiermodell, inwiefern beeinträchtigter Blutfluss im Gehirn von Föten zu einem veränderten Wachstum und einer verzögerten Entwicklung des Gehirns beiträgt. Vergleichbare Veränderungen sind bei Menschen mit HLHS auch zu beobachten. Die Forschenden wollen zudem therapeutische Strategien entwickeln.
  • In der traditionellen Architektur steht oft das Visuelle im Vordergrund, während Klang und Akustik vernachlässigt werden. Fabio Gramazio, Matthias Kohler von der Eidgenössisch Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) und Rama Gottfried von der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) wollen dies ändern: Sie untersuchen, inwiefern die Einbeziehung von Klang und Akustik das architektonische Design insgesamt verbessern kann, und wie sich mit architektonischer Akustikmodellierung neue Bereiche in der Klangkunstpraxis eröffnen lassen.

Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften

  • Die katalytische Pyrolyse ist eine Technik, mit der Plastik-Abfälle recycelt werden. Daraus entstehen neue, nützliche chemische Verbindungen wie Kraftstoffe oder Schmiermittel. Patrick Hemberger vom Paul Scherrer Institut (PSI) will die Reaktionsmechanismen dieser Verfahren aufklären, um neue Stoffe selektiver herstellen zu können.
  • Ein Drittel der weltweit verbrauchten Energie entfällt auf Gebäude. In Gebäuden werden 70 Prozent der Energie für Heizung und Kühlung verwendet. An diesem Punkt setzen Dolaana Khovalyg von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) und Agnes Psikuta von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) an: Mit personalisierten Komfortsystemen (PCS) können Heizung und Kühlung individuell und gezielt eingestellt, der Energieverbrauch um bis zu 60 Prozent gesenkt und der Raumkomfort verbessert werden. Die beiden Forscherinnen entwickeln einen Leitfaden für einen optimalen Einsatz solcher PCS.